THOW 170: Der kleine Fleck

1 Wir starren auf den Fleck im Spiegel, wie auf ein Fanal der Unvollkommenheit. 2 Fragen stürmen unsere Gedanken. 3 Wie konnte das passieren? 4 Wer hat Schuld? 5 Und Stimmen werden um uns laut. 6 Ratschläge-Geber, Erfahrungs-Berichter, dunkle Mahner und leichtfertige Verharmloser. 7 Für den einen alles nur ein Zeichen des Scheiterns, was längst geahnt, für den anderen die Bestätigung dessen, was immer geglaubt. 8 Und wir bleiben allein zurück – mit Spiegel, Fleck und dieser Unsicherheit, die uns den Sieg raubt, noch bevor der Kampf beginnt. 9 Wo eben noch Freude war, bleibt Sorge, wo Licht war, der Schatten.

10 Mein Dorn im Fleisch ist wie ein Fleck – ich kenne ihn, auch wenn ich ihn nicht sehe. 11 Beim anderen mag es Versagen sein. 12 Ein geliebter Mensch, der Wunden hinterließ. 13 Eine Hoffnung, die enttäuschte. 14 Ein unbedachtes Wort zur falschen Zeit, eine Geste, die verletzte. 15 Fehler, tief und schwer, die auf einst gute Beziehungen nun lasten. 16 Und uns die Freude nimmt – und dir, Gott, alle Ehre raubt. 17 Weil wir nicht wegsehen können, nicht mehr vertrauen, nicht mehr verzeihen.

18 Wärst du wie wir, wir wären längst verloren. 19 Doch über all unsere Flecken hast du hinweggesehen, weil deine Liebe größer war. 20 Darum werfe ich mich vor dich hin, nicht meine Flecken, sondern all mein Herz und all mein Denken. 21 Und rufe meiner Seele zu: Lobe Gott – und gib ihm Dank, denn nicht im Schauen will ich leben, sondern ganz im Vertrauen.
22 Aber nicht wie ich will, sondern du – denn du kennst meinen Fleck wohl, doch du siehst vor allem mein Herz.
23 Und so will auch ich erst mein Herz prüfen und daran wachsen, statt zu verzagen. 24 So wird deine Hand immer über mir sein.

Markus 2,5–11 / 2. Korinther 12,7–9 / Psalm 34,19 / 2. Korinther 5,7